Bibelarbeit über Markus 11, 12-14

von Michael Strauch

 

1.       Text:

 

Und am nächsten Tag, als sie von Betanien weggingen, hungerte ihn.

Und er sah einen Feigenbaum von ferne, der Blätter hatte; da ging er hin, ob er etwas darauf fände. Und als er zu ihm kam, fand er nichts als Blätter; denn es war nicht die Zeit für Feigen.

Da fing Jesus an und sprach zu ihm: Nun esse niemand mehr eine Frucht von dir in Ewigkeit! Und seine Jünger hörten das.

 

2.       Textanalyse:

 

Stichwort: Feigen, Feigenbaum in der Bibel1

 

Den Feigenbaum gibt es bis heute im ganzen Mittelmeerraum. Besonders in Syrien und Palästina gedeiht er sehr gut und sein Anbau gründet auf eine uralte Tradition. Der Baum wird ca. 6-9 m groß, hat kreisförmig ausladende Äste und verliert seine Blätter zur Winterzeit. Auch in der Regenzeit ist er kahl. Anfang April schlägt er neu aus und kündigt den Sommer an.

In Palästina trägt der Feigenbaum dreimal jährlich Früchte! Die 1.Ernte ist bereits im Frühling. Im April formen die Endknospen wieder neue Jahrestriebe und dort sprießen auch die ersten neuen Blätter. Unter diesen Trieben sitzen schon wieder kleine junge Feigen, die „Vorfeigen“. Wenn man diese sehen kann, ist der Winter vorbei. Sie sind nicht saftig, werden aber trotzdem gegessen, solange es nichts anderes gibt. Wo diese Vorfeigen fehlen (!), ist der Baum unfruchtbar. Darum verflucht Jesus diesen Baum, weil er zwar die neuen Triebe und Blätter hat, aber keine Früchte trägt. Er täuscht Fruchtbarkeit nur vor. Es folgen nach den Vorfeigen Ende Mai/Anfang Juni die besonders saftigen Frühfeigen und im August erntet man dann die Spätfeigen.

 

Der Feigenbaum wird nicht selten in der Bibel zusammen mit dem Weinstock erwähnt. Man pflanzte sogar Feigenbäume in Weingärten, sodass die Ranken des Weinstocks am Feigenbaum hochklettert. Das Wohnen unter dem Weinstock und Feigenbaum ist Bild für das Wohnen im Frieden (1Kö 5,5). Der Feigenbaum gehört zu den 7 Segnungen, die zum Reichtum des verheißenen Landes gehören (5Mose 8,8).

 

3. Zur Auslegung der Verse:

 

Jesus hat Hunger. Er ist umjubel worden beim Einzug nach Jerusalem. Doch am Abend hat er Hunger. Er will ihn stillen an den Früchten des Feigenbaums. Doch außer Blattwerk hat dieser Baum nichts hervorgebracht und Jesus verflucht diesen Baum. Jesus sucht nach den „Vorfeigen“, aber er findet nur einen Blätterwald. Jesus hat Hunger. Hunger nach Liebe, Hunger nach Anbetung, Hunger nach echtem Glauben, Hunger nach Ehrlichkeit – Hunger nach den Früchten des Heiligen Geistes. Diesen Hunger will er nicht an sich selbst befriedigen. Er sucht die Früchte nicht an sich selbst, sondern am Baum, an Jerusalem, bei der Kirche, bei uns, bei Dir! Und was findet er? Er findet viel Bürokratie, er findet viel, viel Papier. Er findet Bücher, er findet Liedblätter, er findet Bibelarbeiten und Predigten, er findet Jungscharmaterial und findet Freizeitprospekte. Er findet die Pracht ausladender Begabungen. Er findet das Rauschen von Betriebsamkeit. Er findet das, was äußerlich erstaunen läßt, was äußerlich gefällt und das Auge anspricht. Er findet junge Triebe, er findet die Anzeichen, dass der Winter vorbei ist und sieht viele gute Ansätze. Aber er will nicht etwas für`s Auge, sondern für sein Herz. Jesus hat Hunger, und unterm Blätterwald findet er keine Frucht. Nichts. Noch nicht einmal Frühfeigen, die eh nicht sonderlich gut schmecken. Jesus findet viel Blätter, aber wenig Frucht: „Und als er zu ihm kam, fand er nichts als Blätter; denn es war nicht die Zeit für Feigen!“

In der ganzen Geschichte Israel gab es immer ein bestimmtes Problem: Schein und Sein. Die Gemeindeglieder hielten Gottesdienste, sangen aus Feiert Jesus, dem Kirchengesangbuch und dem Gemeinschaftsliederbuch, hielten Bibelabende, Vorträge, Konferenzen und Gott konnte sage: ich will das Geplärr eurer Lieder nicht mehr hören. Die Gläubigen fasteten und ließen sich ihren Glauben etwas kosten und Gott konnte sagen: was ist das für ein Fasten?

Was wollte Gott damals? Was will er heute? Er will Frucht. Und Frucht muss für einen anderen dazu dienen, dass sein Hunger gestillt wird! Menschen haben Hunger. Hunger nach Liebe, Hunger nach Nähe, Hunger nach Gerechtigkeit, Hunger nach Mitleid, Hunger nach Beachtung. Warum sind wir oft so feige, wenn es darum geht, mein Amt als Nächster für die Bedürftigen wahrzunehmen. Lt. Mt 25 wird Jesus im Gericht folgendes sagen: Denn ich bin hungrig gewesen und ihr habt mir zu Essen gegeben. Und die Christen werden sich fragen, wann habe ich das getan? Und Jesus sagt: was ihr dem Geringsten Gutes getan habt, das habt ihr mir getan.

Darum, seid nicht „feige“ in dem, was ihr wirklich tun sollt. Amen.

1(siehe Bibellexikon von Rienecker, Brockhaus 1985, S.394)